Fakt oder Fake - Desinformationen sollen Gesellschaft gezielt spalten
Ob im Internet auf Social Media, am Stammtisch in der Kneipe oder beim eigentlich belanglosen Small-Talk auf dem Wochenmarkt – überall werden wir mit Nachrichten konfrontiert. Aber stimmen die Fakten, die uns da erreichen? Oder sind es die oft zitierten „Fake News“? Und ist nicht gerade dieser Begriff heute schon selbst zu einem politischen Instrument geworden, der gerne verwendet wird, um andere zu diskreditieren? Wie also Desinformationen erkennen? Und bei welchen Sachverhalten ist eine Faktenprüfung überhaupt möglich?
Fragen, die bei „Fakt oder Fake?“ von André Schünke, Journalist, Nachrichtensprecher und Moderator, Dirk Pejril, Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Ute Reincke, Mitglied eines Bürgerrates und Ivica Lukanic, Bürgermeister der Stadt Wolfenbüttel gemeinsam auf dem Podium im Zeughaus mit den rund 40 Zuschauerinnen und Zuschauern diskutiert wurden. Als Moderator führte Feridun Öztoprak gekonnt durch die rund 90-minütige Veranstaltung.
Gleich mittendrin im Thema waren alle, als André Schünke aus seinem Alltag berichtete. „Also ich denke, wir haben das Problem, vor allen Dingen, dass wir in der Legitimation immer wieder hinterfragt werden. Egal, was wir machen, uns wird unterstellt, ihr seid ja Systempresse oder uns wird unterstellt, wir würden absichtlich Lügen verbreiten oder über den Knopf im Ohr, den ich beim Fernsehen trage, würde mir das Kanzleramt direkt ins Ohr sagen, was ich zu erzählen habe. Diese Vorstellung gibt es bei Menschen. Und ich erlebe das im Moment so, dass wir permanent damit beschäftigt sind, uns auch immer wieder zu rechtfertigen. Also natürlich liefern wir die Nachrichten so, wie wir sie nach den Standards schon immer geliefert haben. Ich mache den Job jetzt seit über 20 Jahren. Und in der Zeit hat sich das Arbeiten an sich als Journalist gar nicht so sehr gewandelt, weil wir unsere sicheren Quellen haben. Und deswegen hat sich an unserer Arbeit so viel gar nicht geändert, weil wir schon immer mit seriösen Hintergründen gearbeitet haben. Die Wahrnehmung hat sich einfach geändert. Heute sind auch Menschen unterwegs, die immer das Gegenteil von dem behaupten, was wir sagen, weil Menschen gerne einfache Antworten auf Fragen haben wollen“, zeichnet Schünke ein Bild seiner täglichen Erlebnisse.
Dirk Pejril, Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, kann diese Wahrnehmung bestätigen: „Wenn man mal in die Nachrichten schaut, dann stellen wir, glaube ich, alle fest, dass unser Demokratie-System, wie wir es kennen, von ganz vielen Seiten angegriffen wird. Wenn wir von Desinformation reden, dann reden wir eben von gezielt verfälschten oder total gefälschten Informationen, die auch ganz bewusst gestreut werden, häufig eben auch von fremden Mächten, von ausländischen Akteuren. Wir leben in einer zur Zeit echt krisenbehafteten Phase von Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Klimakrise, Kriegsängsten, Dinge, die wir vor wenigen Jahren ja nicht mehr kannten. Und da ist natürlich, und hier war auch schon der Begriff von Empfänglichkeit die Rede, natürlich für die Menschen auch so ein bisschen der Wunsch nach einfachen Lösungen. Und diese vermeintlich einfachen Lösungen, die werden hier teilweise ganz gezielt ins Land reingesteuert. Es geht darum, Entscheidungen in der Politik zu diskreditieren, mit Falschinformationen zu belegen, mit eigenen Narrativen in eine andere Meinungsbildung zu bringen, um auch die Gesellschaft zu spalten.“
Auch Ute Reincke pflichtet dem bei: „Desinformation ist nicht eine versehentlich verbreitete Falschnachricht, sondern hat eine bewusst verbreitete Falschnachricht, um die Demokratie zu untergraben. Das klingt jetzt alles ziemlich hochgestapelt, aber wir sehen ja die Wahlergebnisse, wie anfällig viele Leute für extreme Ansichten sind.“
Ein konkretes Beispiel konnte vom Präsidenten des Niedersächsischen Verfassungsschutzes auch gegeben werden. Er erinnerte an ein Video, dass auf WhatsApp kursierte und zahlreiche willkürlich zusammengeschnittene Versprecher von Anna Lena Baerbock und Robert Habeck zeigte. „Da kann man sich schon mal die Mühe machen und sich hinterfragen, was eigentlich genau für eine Botschaft hinter einem Video steckt. Es ging nur darum, ich sage es mal ganz flapsig, deren Unfähigkeit per Video medial aufbereitet in die Welt zu schicken. Das hat sofort die Runde gemacht, ging gleich viral. Aber was steckte dahinter? Dahinter steckte vom Prinzip eine gezielte Diffamierung, Diskreditierung von zwei Persönlichkeiten in der deutschen Politik. Und Ursprung dieses Videos war, Russland.“
Was also tun? Die Medien versuchen mit dem „Faktencheck“ transparent entgegenzuwirken. Grundsätzlich ist dieser nichts anderes als die Arbeit des Journalisten transparent präsentiert. „Ich glaube, jede Redaktion, die irgendwie ein bisschen was auf sich hält, versucht im Moment, Geld dafür freizumachen, dass Mitarbeiter damit beschäftigt sind, jeden Tag irgendwelche Desinformationen aus dem Internet zu bekommen“, bestätigt André Schünke. Und auch die Stadt Wolfenbüttel versucht natürlich mit Bürgernähe transparent zu sein und Informationen niederschwellig zur Verfügung zu stellen, wie auch Ivica Lukanic bestätigte. „Wir haben Formate mit den Kolleginnen und Kollegen, die in der Fußgängerzone stehen und mit den Menschen ins Gespräch kommen. Und wenn wir dann auf Falschinformationen treffen, können wir das gleich richtigstellen und auch erklären, was belegt ist. Es ist leider aber auch so, dass sich viele Menschen in der Gesellschaft nicht ausreichend gehört oder auf irgendeine Art und Weise nicht mitgenommen fühlen.“
Aus den Reihen der Zuhörer kam der Wunsch auf, selbst die Fakten überprüfen zu können – was häufig an der Nichtverfügbarkeit der Quellen scheitere. Hier wäre vielleicht auch mehr Transparenz wünschenswert, die auch dazu führen könnte, dass die mehr Menschen mitgenommen fühlen.
Einig war man sich im Podium, dass es entscheidend sei, mehr Medienkompetenz zu vermitteln. Nicht nur in den Schulen, auch im Beruf oder im Seniorenheim. Auch die Sozialen Medien müssten realistisch betrachtet werden. Bürgermeister Ivica Lukanic brachte es in diesem Zusammenhang auf den Punkt: „Es gibt Diskussionen im Netz, in den sozialen Medien, die nicht geführt würden, wenn die Menschen sich gegenübersäßen. Das kommt von dieser gefühlten Anonymität. Das kommt auch daher, dass soziale Medien als rechtsfreier Raum empfunden werden. Wir erleben das teilweise auch im öffentlichen Diskurs. Das kann man ändern. Aber dafür brauchen wir endlich die Stärke aus der Mitte der Gesellschaft, auch diese Forderung ernst zu nehmen, umzusetzen, was regulatorische Aspekte angeht. Ich glaube nicht, dass es die Freiheit einschränkt. Denn ich kann meine Meinung sagen. Sie muss nur ehrlich und wahr sein. Das ist entscheidend.“
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