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Datum: 10.10.2022

Würdiger Gedenkort für die Opfer der NS-Justiz

Zur Einweihung des neuen Gedenkortes für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz hatten am Freitag, 7. Oktober 2022, die Stadt und die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel auf dem Hauptfriedhof eingeladen.

Zwölf Männer und Frauen stehen vor einer Gedenksätte aus rostigem Stahl auf dem Friedhof © Stadt Wolfenbüttel
Einweihung des Gedenkortes für die Opfer der NS-Justiz auf dem Wolfenbütteler Friedhof

Gedenkstättenleiterin Martina Staats, Bürgermeister Ivica Lukanic, Landrätin Christiana Steinbrügge und Gerd Kubin, Standortleiter bei MAN Truck & Bus SE sowie Siegfried Schulze stellvertretend für die Angehörigen der NS-Justizopfer, stellten den Ort des Erinnerns und Gedenkens der Öffentlichkeit vor.

Mit der Errichtung des Gedenkortes beherzigen die Gedenkstätte und die Stadt Wolfenbüttel den Wunsch der Angehörigen nach einem würdigen Ort des Gedenkens und des Erinnerns an die Opfer der NS-Unrechtsjustiz, wie Martina Staats zurückblickte. Zwischen 1937 und 1945 wurden mindestens 526 Menschen im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet, die von der NS-Justiz zum Tode verurteilt worden waren. Die Toten wurden überwiegend der Stadtpolizeibehörde Wolfenbüttel zur Bestattung auf den lokalen Friedhöfen übergeben.

Die Leichen von 217 namentlich bekannten Opfern wurden jedoch dem Anatomischen Institut der Universität Göttingen zu Forschungs- und Lehrzwecken überlassen. Dies geschah in den meisten Fällen ohne die Einwilligung der Betroffenen oder ihrer Angehörigen. Als Ort des Erinnerns hatten die Familien der Opfer bisher nur das ehemalige Hinrichtungsgebäude in der JVA Wolfenbüttel, das nur mit einer Anmeldung besichtigt werden kann. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen zentralen und öffentlich zugänglichen Gedenkort zu schaffen.

Gestaltet wurde der Gedenkort nach einem Entwurf von Paula Othmer Pérez. Die damalige Schülerin der Neuen Oberschule Braunschweig hatte sich 2017 an dem von der Gedenkstätte, der Stadt Wolfenbüttel und MAN Truck & Bus SE initiierten Ideenwettbewerb beteiligt und die Jury von ihrem Entwurf überzeugen können. „Die Resonanz auf diesen Wettbewerb war überwältigend“, erinnerte Bürgermeister Ivica Lukanic. „Über 100 Schülerinnen und Schüler aus vier verschiedenen Schulen nahmen an der Ausschreibung teil. Die eingereichten 33 Wettbewerbsbeiträge haben zum Ausdruck gebracht, wie sehr die Schülerinnen und Schüler durch die Geschichte der Opfer der Justiz im Nationalsozialismus bewegt waren. Sie haben sich intensiv mit der Geschichte und den dahinterliegenden Schicksalen auseinandergesetzt und eigene Antworten für einen würdigen Ort der Trauer und Erinnerung gefunden.“

Vor einem Feld mit Grabsteinen auf einem Friedhof steht ein Kubus aus rostigem Stahl. Der Kubus ist begehbar, innen sind Tafeln mit Namensplaketten erkennbar. Rechts und links neben dem Eingang sind die Worte "Gedenkort NS-Justizopfer" in den Stahl gefräst. © Stadt Wolfenbüttel
Gedenkort für die Opfer der NS-Justiz auf dem Wolfenbütteler Friedhof


Nach einer fünfjährigen Phase des intensiven Planens und Abstimmens konnte nun ein würdiger Erinnerungsort eingeweiht werden. „Hier ist jetzt ein zentraler Gedenkort für die Angehörigen entstanden und nach 77 Jahren für unsere Stadtgesellschaft, ein Erinnerungsort, der gegen das Vergessen jedes einzelnen Opfers, mahnend unser Bild dieser dunkelsten Zeit, nicht nur der Justizgeschichte allein, sondern auch unserer Stadt vervollständigt“, betonte der Bürgermeister.

Auch Landrätin Christiana Steinbrügge unterstrich, wie wichtig eine lebendige Erinnerungskultur ist. Denn das Ende der Ära der Zeitzeugen ist absehbar, die Verantwortung, zu erinnern, muss nun in jüngere Hände gelegt werden. Dass die junge Generation sehr wohl Interesse an Geschichte hat und bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen, belegt die Genese des Erinnerungsortes.

Der Gedenkort ist Ausdruck eines gelungenen gesamtgesellschaftlichen Engagements. Auszubildende von MAN Truck  & Bus SE Salzgitter fertigten die Namensplaketten an und setzten sich im Rahmen von Workshops mit den Schicksalen der Opfer auseinander, wie Gerd Kubin, Standortleiter bei MAN Truck & Bus SE, erzählte.

Siegfried Schulze erinnerte stellvertretend für die Angehörigen der NS-Justizopfer. Sein Vater Wilhelm Schulze (1907 bis 1943) wurde wegen wiederholten Diebstahls von Lebensmitteln und Kleidung bei der Deutschen Reichsbahn durch ein Sondergericht zum Tode verurteilt und am 29. September 1943 im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet. Der Leichnam wurde an das Anatomische Institut der Universität Göttingen „abgegeben“. Ein Beerdigungsort ist nicht bekannt. Die Familie Schulze steht seit 2015 im engen Kontakt mit der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel.

Impressionen

Flickr-Album: Einweihung des Gedenkortes für die Opfer der NS-Justiz

Kontakt

Stadtverwaltung Wolfenbüttel