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Datum: 22.10.2022

Herausforderungen für Kommunen und Stadtwerke im Umgang mit den Maßnahmenpaketen der Bundesregierung

Im Kontext der Ministerpräsidentenkonferenz in dieser Woche hat sich Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic an den Städtetag gerichtet, um die Herausforderungen für Kommunen und Stadtwerke im Umgang mit den Maßnahmenpaketen der Bundesregierung zu verdeutlichen. Die entstandenen und entstehenden Probleme sind von grundsätzlicher Bedeutung und bundesweiter Tragweite.

Porträt des Bürgermeisters Ivica Lukanic, im Hintergrund hängt die Stadtfahne an einem Fahnenständer. © Stadt Wolfenbüttel
Bürgermeister Ivica Lukanic

So schreibt der Bürgermeister: Bisher liegen keine Konkretisierungen zur Ausgestaltung des Gaspreispreisdeckels vor. Es ist daher nicht zu spät und meines Erachtens geboten, die dargestellten Auswirkungen insbesondere zu den anstehenden Preisanpassungen zum Jahreswechsel der Versorger insgesamt zur Diskussion zu stellen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Ich habe mich ausschließlich auf Kernpunkte beschränkt und unter anderem Detailfragen zur Konnexität der Regelungen, den Auswirkungen des Deckels auf bereits beschaffte Mengen der Versorger und die Preisbildung für die Komponente des Sparanreizes ausgelassen.

Herausforderungen für Kommunen und Stadtwerke im Umgang mit den Maßnahmenpaketen der Bundesregierung

Mit der Corona-Pandemie und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vollzieht sich ein weltpolitischer Wandel, der auch in Deutschland zunehmend den bisherigen Wohlstand und das hohe Versorgungsniveau beeinflusst. Der Umgang mit der Energiekrise ist nicht nur für die Regierung eine Mammutaufgabe, sondern stellt auch Verbraucher und Unternehmen jeder Größenordnung vor existenzielle Herausforderungen. Städten und Gemeinden sowie lokalen Energieversorgern, wie den Stadtwerken Wolfenbüttel, kommt jetzt eine Schlüsselrolle zu, indem wir die schnelllebigen Beschlüsse des Bundes auf kommunaler Ebene umsetzen. Wir tragen dazu bei, die Folgen der explodierenden Energiepreise und des Energiemangels auf das soziale Gefüge und die Versorgungssicherheit einzudämmen. Als Sprachrohr und Erfüllungsgehilfe der Regierungsentscheidungen stehen wir als kommunale Träger über unsere Stadtwerke mit unseren Kundinnen, Kunden, Bürgerinnen und Bürgern im direkten Dialog – mit maximaler Anstrengung, Pragmatismus und Kreativität. Allerdings ist die Komplexität und Schnelllebigkeit der Maßnahmen enorm. Bei allem Verständnis für die aktuelle Ausnahmesituation auch auf Regierungsebene ist klar, dass für eine transparente Aufklärung und motivierende Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern unbürokratische Rahmenbedingungen, plausible Handlungsempfehlungen und ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Politik, den Einrichtungen der Länder und pragmatische Lösungen für den Vollzug bei den Versorgern gebraucht werden.

Mein Schreiben – noch während der Konkretisierungsphase des neuen Maßnahmenpakets der Bundesregierung – soll ein Bewusstsein für die Bedarfe, Sorgen und Herausforderungen auf kommunaler Ebene schaffen. Mit welchen operativen Fallstricken die Stadtwerke Wolfenbüttel zu kämpfen haben, allesamt ein Fingerzeig auf die generelle Situation der Versorger, schildere ich im Folgenden:

Existenzielle Bedrohung auch für Stadtwerke:

Drohende Zahlungsausfälle von Verbrauchern und Unternehmen stehen bei uns der Sicherung der Grundversorgung sowie notwendigen Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien und einer zukunftsfähigen Infrastruktur für die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen gegenüber. Verfrühte politische Diskussionen über Zahlungsmoratorien und Sperrungsaussetzungen senden zudem falsche Signale an die Zahlungsmoral und Einsparbereitschaft. Als Grundversorger müssen wir jene „auffangen“, die jahrelang bei nun insolventen Energie-Discountern Kunde waren und nun aus der Versorgung fallen. Das Risiko tragen alle Grundversorger.

Preisbildung mit mehreren Unbekannten:

Unsere Unternehmensplanung fürs Folgejahr erfordert eine Preisanpassung zum Jahreswechsel. Für die Einhaltung der gesetzlichen Kommunikationsfrist von sechs Wochen, müssten wir jetzt Tarife und Preise kalkulieren – ohne konkrete Rahmenbedingen wie aktuell (Stichwort Gaspreisdeckel), ist eine fundierte Planung nicht machbar. Die in Folge der Ausformulierung des Gaspreisdeckels erforderliche weitere Preisanpassung – der Zeitpunkt steht nicht fest – wird in diesem Kontext zwingend zu einem Kommunikationsdesaster und Glaubwürdigkeitsverlust führen.

Mehrwertdienstleister Stadtwerke:

Die überwiegende Zahl an Stadtwerken ist in kommunaler oder zumindest mehrheitlich in kommunaler Hand. Das ermöglicht vielerorts nicht nur die Versorgung mit Energie und Wasser, sondern auch weitere Infrastrukturen. In Wolfenbüttel ist dies beispielsweise der ÖPNV, das Stadtbad Okeraue oder die Parkeinrichtungen. Für die kommunalen Gesellschafter sind gesunde Stadtwerke deshalb von herausragender Bedeutung. Gleichzeitig werden von Stadtwerken Aktivitäten und Weichenstellungen in Richtung erneuerbarer Energien, Klimaschutz und Digitalisierung erwartet, die diese als einzige auch wahrnehmen können und wollen.

Energiepolitische Entscheidungen bisher kaum praktikabel:

Die unterjährige Einführung und der Entfall von Umlagen, die unterjährige Änderung der Mehrwertsteuer, die Notwendigkeit zur Anpassung von Abschlägen und Abrechnungen sowie mehrfache Preisanpassungen müssen direkt von den Versorgern aufgefangen und mit hohem zeitlichen und monetären Aufwand implementiert werden, denn selbst moderne ERP-Systeme besitzen nicht die Flexibilität, jedes neue Abrechnungsmodell vollautomatisch zu übernehmen. Ein eklatantes Beispiel ist die Bekanntgabe der Gasbeschaffungsumlage, die am 16. August 2022 nur wenige Tage vor Beginn der 6-wöchigen Kommunikationsfrist erfolgte, aber ab 1. Oktober 2022 erhoben werden sollte. Die Rücknahme der Umlage – nur wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten – führte für die Kundschaft zu einer fehlerhaften Abschlags- und Preismitteilung. Eine transparente und verständliche Kommunikation, einer für Endverbraucher kaum nachvollziehbaren Thematik, ist so nicht möglich; das Misstrauen der Menschen in ihren Energieversorger und insbesondere in die handelnde Politik wächst. Den angefallenen Kosten steht kein Ertrag gegenüber und wird derzeit wohlmeinend als Beitrag zur Bewältigung außergewöhnlicher Herausforderungen betrachtet.

Hemmnis Regulierung und Auslegbarkeit von Gesetzesnovellen:

Netzentgelte sind das wesentliche Standbein aller Netzbetreiber, um eine verlässliche Grundlage für einen sicheren und zukunftsgerichteten Netzbetrieb und Netzausbau zu schaffen. In der dritten Regulierungsrunde sind die Senkungsspielräume der Regulierungskammern nunmehr soweit optimiert, dass dies nicht mehr als gesichert betrachtet werden kann. Die mehrjährig festgeschriebene Folgewirkung der Fotojahre ist gerade in Zeiten von Pandemie und dem Ukraine-Krieg fatal. Stadtwerke bewegen sich nur noch im Rahmen der regulatorischen Möglichkeiten, bei steigenden Preisen wird weniger umgesetzt. Auch die Auslegbarkeit unklar formulierter gesetzlicher Grundlagen erschwert die Handlungsfähig von kleineren Energieunternehmen: Beispiel ist die Novellierung von § 7c des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), wonach Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen (unkonkret!) grundsätzlich weder Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile sein dürfen noch diese Ladepunkte entwickeln, verwalten oder betreiben dürfen. Das sind meines Erachtens Entwicklung, die den grassierenden Verzehr der Infrastruktur vorantreiben und den Herausforderungen der Energiewende diametral entgegenstehen.

Stadtwerke als Überbringer schlechter Nachrichten:

Erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher ein Preiserhöhungsschreiben ihres Energieversorgers, wird dieser automatisch für die hohen Energiepreise verantwortlich gemacht. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich existenziell bedroht und laden Angst, Sorgen und Frust zunehmend beim Kundenservice ab. Nicht selten sind die Mitarbeitenden verbalen Entgleisungen ausgesetzt. Die physische und psychische Arbeitsbelastung der Service-Teams ist immens – diese Arbeitsbedingungen machen eine personelle Aufstockung zu einem schwierigen Unterfangen.

Für die Konkretisierung des kommenden Maßnahmenpakets der Bundesregierung fordere ich daher solide und praktikable Lösungen, die Mitarbeitende in kommunalen Einrichtungen einfach umsetzen und verständlich kommunizieren können.

Abgesehen von dem in Aussicht gestellten Verzicht auf den Dezemberabschlag brauchen wir konkrete Vorschläge, wie die Regelpreisanpassungen, die landauf, landab zum Jahreswechsel erfolgen, nach der Verkündung des Gaspreisdeckels kommuniziert werden können, um sie anschließend durch eine weitere Bekanntmachung neuer Preisfestsetzungen anlässlich der ausformulierten Regelungen zum Gaspreisdeckel zu korrigieren.

Kontakt

Stadtverwaltung Wolfenbüttel