Fahrradzone
Im Sinne der Radverkehrsförderung und bezugnehmend auf die vom Rat der Stadt beschlossene Resolution zur Klimanotlage und den Ratsbeschluss zur Prüfung der Umwandlung aller Tempo-30-Zonen in Fahrradzonen hat die Verwaltung Standards für die Einrichtung von Fahrradzonen im Bestand erarbeitet.
Hintergrund
In den vergangenen Monaten und Jahren haben die Auswirkungen der voranschreitenden Klimakrise verstärkt auch Deutschland und unsere Region getroffen. Die Stadt Wolfenbüttel muss sich diesen veränderten Rahmenbedingungen anpassen, darf aber gleichzeitig den Klimaschutz, also die Vermeidung und Verminderung der Treibhausgasemissionen, nicht aus den Augen verlieren. Der Verkehrssektor spielt dabei eine entscheidende Rolle. Deutschlandweit liegt sein Anteil an den CO₂-Emissionen bei knapp 22%, die Emissionen sind seit Jahren stagnierend, obwohl sie deutlich sinken müssten. Bei der dafür notwendigen ‚Verkehrswende‘ (grundlegende Umstellung des Verkehrs hin zu nachhaltiger Mobilität) kommt dem Verkehrsmittel Fahrrad eine besondere Bedeutung zu: Viele kurze und mittellange (aktuell mit dem Auto bewältigte) Wege können mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.
Mit der ‚Fahrradzone‘ hat die Bundesregierung 2021 ein neues Instrument der Radverkehrsförderung eingeführt. Eine Fahrradzone übernimmt die Regelungen der bereits bekannten Fahrradstraße, wird im Gegensatz dazu jedoch nicht linien-, sondern flächenhaft angeordnet (analog zur Tempo-30-Zone). In ihr bestimmen Radfahrende die Geschwindigkeit und dürfen nebeneinander fahren, andere Verkehrsmittel wie Kfz sind nur mit Zusatzzeichen (z.B. ‚Anlieger frei‘) erlaubt. Fahrradzonen sollen einen bedeutenden Beitrag zu einem schnellen, sicheren und attraktiven Radverkehrsnetz leisten. Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) ist „innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtstraßen mit der Anordnung von Fahrradzonen zu rechnen.“ (§ 39 Abs. 1b)
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Fahrradzonen finden sich in der StVO und der dazugehörigen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO).
Gemäß StVO ordnen die Straßenverkehrsbehörden innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an.
Auszug aus § 45 Abs. 1i StVO:
„Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtsstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Ziechen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. Am Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtsregel nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo-30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.“
Grundsätze
Fahrradzonen können nur dann einen Mehrwert für den Radverkehr darstellen, wenn sie gestalterisch durchdacht und als Element der Fahrradinfrastruktur erkennbar sind. Radfahrende müssen sicher sein und sich sicher fühlen, damit Verkehrsteilnehmende durch eine Fahrradzone motiviert werden, häufiger das Fahrrad zu nehmen und das Auto stehen zu lassen. Gleichzeitig müssen Belange des Fuß-, des Kfz-Verkehrs (insbesondere der Anlieger des Quartiers) und gegebenenfalls des ÖPNV berücksichtigt werden. In jedem Fall genügt es nicht, lediglich Verkehrszeichen aufzustellen. Wenn eine Fahrradzone dagegen mit einem qualitativen Mehrwert umgesetzt wird, profitieren alle davon:
- Radfahrende erhalten eine attraktive Fahrradinfrastruktur
- Menschen, die aus zeitlichen Gründen oder Gründen der subjektiven Sicherheit bisher das Auto genutzt haben, werden ermutigt, auf das Fahrrad umzusteigen
- Menschen, die auf das Auto angewiesen sind oder nicht umsteigen wollen, profitieren von weniger Autos auf den Hauptverkehrsstraßen
- Anwohnerinnen und Anwohner des Quartiers profitieren von einer höheren Lebensqualität durch weniger Abgase und Lärm
Um das zu erreichen, müssen neben den rechtlichen Voraussetzungen der StVO und der zugehörigen Verwaltungsvorschrift (VwV-StVO) bestimmte Grundsätze eingehalten werden. Hier ist zuvorderst die Herausnahme des gebietsfremden Kfz-Verkehrs („Schleichverkehr“) zu nennen. In einer Fahrradzone sollte nur der Kfz-Verkehr fahren, der hier ein ‚Anliegen‘ hat. Dazu gehören selbstverständlich Anwohnerinnen und Anwohner, aber auch Besucher von Einrichtungen oder Kundinnen von Geschäften. Durchgangsverkehr soll allerdings nicht stattfinden. Dies ist durch Verkehrsbeschränkungen wie „Anlieger frei“-Beschilderung, für den Radverkehr geöffnete Einbahnstraßen oder, falls nötig, bauliche Unterbrechungen sicherzustellen. Des Weiteren sind die klare Ausbildung einer Fahrgasse (nutzbarer Bereich der Fahrbahn) und die Sicherstellung einer Erkennbarkeit als Fahrradzone vonnöten.
Daher wird für den Bereich der Stadt Wolfenbüttel ein einheitliches Gestaltungskonzept für Fahrradzonen festgelegt. Die Kosten für die Einrichtung der Fahrradzonen sowie daraus resultierende Folgekosten werden bei der jeweiligen Einzelfallprüfung der geplanten Zonen ausgewiesen.