Obst und Gemüse vom Lindenhof
Der Lindenhof ist ein Gemeinschaftsprojekt, das sich nicht nur der biologischen Landwirtschaft verpflichtet hat. Mit dem Trägerverein „Allmende“ verfolgen die Beteiligten ein größeres Ziel.
Wenn man Obst und Gemüse von der „Hofgemeinschaft Lindenhof Eilum“ vom Wolfenbütteler Markt kauft, dann steckt dahinter mehr als nur ein gutes Produkt. Äußerlich sieht der Stand in „der Ecke des Marktes“, am Durchgang zur Kommisse, so aus wie alle anderen Stände. Es gibt, was die Erde so hergibt: Kartoffeln, Gemüse, Salate, Kräuter, aber auch Sachen, die es in unseren Breiten eigentlich nicht gibt. Wer genauer hinschaut, der erkennt die Aufschrift „Bioland“. Bekanntlich gehört diese Zertifizierung neben dem Demeter-Label zu den konsequenten biologischen Wirtschaftsweisen in Deutschland und ist damit ein Zeichen für besondere Qualität. Wer sich interessiert, was hinter diesem Namen steht, der bekommt von den freundlichen Marktleuten eine kleine Broschüre in die Hand, oder er kann sich mit einem Blick ins Internet darüber informieren, was dieses seit 1983 bestehende Projekt vor den Toren Wolfenbüttels so besonders macht.
Von Frankreich nach Deutschland
Ich bin mit Guillaume Girard verabredet. Er ist zusammen mit der ganzen Marktmannschaft für den Stand verantwortlich, und um 9 Uhr sei eine „gute Zeit“ für ein kurzes Gespräch, schreibt er mir in einer Mail. Am Stand des Lindenhofes sind die Gemüsekisten noch gut gefüllt. Aber es ist schon ordentlich was los. Trotzdem nimmt der Franzose mit dem dichten schwarzen Haar und den freundlichen, dunklen Augen sich Zeit für mich. Hinter dem Stand steht eine Bank, auf die wir uns setzen. Die Sonne lugt über die Planen des Verkaufsstandes auf dieses stille Plätzchen im Samstagtrubel. Seit einem Jahr sei er hier in der Gegend, ohne vorher Deutsch gesprochen zu haben. Die Unterschiede zwischen Akkusativ und Dativ seien ihm noch nicht so geläufig. Aber mit der Verständigung klappe es prima. Der Wochenmarkt als Sprachkursort. „Ich bin gern Gärtner, aber genauso wichtig finde ich, dass wir unser Gemüse und das Obst hier verkaufen“, erzählt er während er in die Sonne blinzelt. Guillaume Girard kommt aus der Mitte Frankreichs, aus Tours, dort wo die Loire gemächlich fließt und guter Wein wächst. Er selbst stamme von einem Weinbauernhof, habe Soziologie studiert und sich später gefragt, was man in dieser nicht so idealen Welt – er drückte sich etwas stärker aus – tun könnte. „Gemüse anbauen ohne Gift“, gibt er die einfache wie leidenschaftliche Antwort.
Warum sind die anderen so billig?
Dabei wirkt er nicht wie der Typ „Weltverbesserer“. Es scheint, als verrichte er die Arbeit, weil er sich mit dieser umweltfreundlichen Wirtschaftsweise identifiziert, ohne sich Illusionen zu machen, was das im Ganzen bewirkt. Auf die Frage, ob die Kunden die höheren Biopreise manchmal hinterfragten, lächelt er. Da seien zum Einen natürlich die Stammkunden, die Bioqualität aus Überzeugung kauften und diese Frage nicht stellten. Für die Anderen hat er eine kurze, aber entwaffnende Antwort parat. „Die Frage ist eigentlich nicht, warum sind wir teurer. Die Frage ist: Warum sind die anderen so billig.“ Er versteht die Verbraucher, die natürlich nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung hätten. Aber man müsse sich schon fragen, warum wir in Europa so wenig für Lebensmittel ausgeben würden. „Es ist ja für viele Dinge Geld da“, gibt er zu Bedenken. Und alle Beteiligten des Hofprojektes sind die letzten, die von den höheren Preisen profitieren. Es sei eine harte Arbeit, und er würde viel arbeiten. Aber Guillaume Girard mache das gern. Neben dem Idealismus hatte er noch einen anderen Grund nach Deutschland zu kommen, berichtet er augenzwinkernd: „Ich habe eine Frau aus Eilum kennengelernt, der ich hierher gefolgt bin.“ Und nun lebt er also seit gut einem Jahr in der Hofgemeinschaft und fühlt sich in der Region wohl.
Allmende und Gemeinschaftsbesitz
Die „Hofgemeinschaft“ ist nicht in Privatbesitz. Sie „gehört“ einem Verein, der den alten Namen „Allmende“ bezeichnet. Dieser Begriff weist sehr weit zurück ins Mittelalter. In dieser Zeit gab es zwar nicht, wie heute, einen funktionierenden Sozialstaat. Aber für die Grundversorgung der Menschen auf dem Lande war trotzdem gesorgt. Jede Person hatte nämlich das Recht, Wald und Flur um die Dörfer gemeinschaftlich mit zu nutzen. Das war sozusagen eine Art „bedingungsloses Grundeinkommen“ in einer sehr frühen Form. Allmende bedeutet „was allen gehört“ und so ist denn die „Hofgemeinschaft Lindenhof Eilum“ ein gemeinschaftliches Projekt von Gärtnern und Bauern, die die Feldfrüchte in und für die Region erwirtschaften. Vermarktet werden die Produkte so wie in Wolfenbütteler auf dem Markt, im eigenen Hofladen oder direkt durch Abholkisten und Naturkostläden. Außerdem gibt es Restaurants, die ihre Zutaten aus Eilum beziehen.
Naturverträgliche Landwirtschaft
Der Verein Allmende e.V. kümmert sich aber nicht nur um eine möglichst nachhaltige und naturverträgliche sowie soziale Landwirtschaft. Er organisiert auch Naturschutz- und Pflegemaßnahmen – also er sorgt dafür, dass sich das Landschaftsbild unserer Region erhält. Keine Großflächen sind um den Lindenhof Realität, die nur unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit betrieben werden, sondern naturnahe Wirtschaftsräume. Da werden Feldhecken angepflanzt und gepflegt, die Lebensraum für Tiere und Insekten sind. In und aus diesen Biotopen entwickeln sich Lebensräume, in denen man auf Pflanzenschutzmittel verzichten kann – denn die Aufgaben, die Pflanzen vor Schädlingen zu schützen, erledigt die Natur selbst, wenn man sie im Gleichgewicht hält.
Das Angebot
Die ersten Kartoffeln werden am Elm im Juli geerntet. Danach kommen die festen, halbfesten und mehligen Sorten ab Mitte August. Im Oktober, wenn die Ernte beendet wird, kommen dann die lagefähigen Einkellerungskartoffeln. Natürlich werden die auch in Eilum gelagert und bis zum nächsten Frühjahr auf dem Markt verkauft. Dass eine Kartoffel im März nicht mehr so taufrisch sein kann wie im Oktober, liegt auf der Hand. Was man tun muss, um sie auch zu diesem Zeitpunkt so makellos zu halten, möchte man gar nicht wissen… Ansonsten wird saisonal das angebaut, was der Jahreszeit entspricht. Wer sich auf diesen jahreszeitlichen Plan der Natur einstellen kann, lebt nicht nur abwechselungsreicher, er schont auch Ressourcen und damit unsere Lebensgrundlage. Deshalb sieht der Stand der Eilumer Hofgemeinschaft nur auf den ersten Blick so aus, als würde er ein „ganz gewöhnlicher Stand“ sein. Tatsächlich steht dahinter eine Lebensweise und Idee, die ganz praktisch umgesetzt wurde. Für Guillaume Girard und seine Kolleginnen und Kollegen ist diese Idee Alltag. Wenn er am Stand ist, genießt er den Kontakt mit den Kunden. Er liebt selbst Kochen und damit gutes Essen. Das sei vor allem immer „einfach“ erklärt er. Deshalb gibt er auch gern beim Kauf kleine Zubereitungstipps. Und alles, was frisch vom Feld komme, könne man genießen, meint er.
Das Einzige was er, wenigstens in Sachen Genuss vermisst, scheint „sein Wein“ von der Loire zu sein. „Hier gibt es immer nur Tropfen aus dem Süden Frankreichs“, bedauert er und widmet sich schon wieder den Gemüsekisten und danach den Kunden, die sie inzwischen gelichtet haben.