FrauenORT Henriette Schrader-Breymann
FrauenORTE Niedersachsen ist eine Initiative des Landesfrauenrates Niedersachsen e.V. mit dem Ziel, Leben und Wirken historischer Frauenpersönlichkeiten einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Die Initiative will auch dazu beitragen, dass Frauengeschichte und -kultur einen festen Platz im Spektrum kulturtouristischer Angebote erhält. - Bisher finden in Niedersachsen über 20 FrauenORTE Beachtung (aus den Kriterien für die Anmeldung Initiative FrauenORTE des Landesfrauenrates Niedersachsen e.V.).
In der ehemaligen Residenzstadt Wolfenbüttel hinterließ nicht nur das "starke Geschlecht" wie die Welfenherzöge, Literaten und Komponisten – Gotthold Ephraim Lessing, Michael Praetorius, Gottfried Wilhelm Leibniz Wilhelm Busch und Casanova – seine Spuren. Hier lebten und wirkten auch historisch "starke Frauen" wie Friederike von Riedesel, Sophie Prinzessin von Polen, Anna Amalia Prinzessin zu Braunschweig-Lüneburg und Herzogin von Sachsen-Weimar, Anna Vorwerk und Henriette Breymann.
Im Oktober 2013 wurde durch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wolfenbüttel der Antrag zur Eröffnung eines FrauenORTEs an den Landesfrauenrat Niedersachsen e.V. gestellt. In der Vorbereitung hat sich schnell herauskristallisiert, welche Frau für diese Würdigung in Frage kommen soll. Die Entscheidung fiel auf Henriette Breymann, eine deutsche Pädagogin, Gründerin von Bildungs- und Erziehungsinstitutionen, Förderin der Fröbelpädagogik und der Frauenbildung. Sie soll die Ehre erhalten, durch die Schaffung eines FrauenORTEs wieder ins Gespräch zu kommen – nach wie vor sind die Themen, die Henriette vor 150 Jahren bearbeitet hat, aktuell.
Wissenswertes über Henriette Schrader-Breymann
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© Andreas MeißlerDatum: 16.09.2017 190. Geburtstag von Henriette Schrader-Breymann
Eine Zeitreise in die Pädagogik und Frauenbildung im 19. Jahrhundert erlebten die rund 150 Gäste am vergangenen Donnerstag im Renaissancesaal des Schlosses. ... Mehr erfahren
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Datum: 10.09.2024 Wie ein Pfarrhaus die Basis für Henriette Breymanns Arbeit bildete
Der Vater Henriette Breymanns, Ferdinand Breymann, hatte 1851 die Pfarre in Watzum übernommen. Seine Tochter kam nach Ende ihrer Studienzeit bei ... Mehr erfahren
FrauenORTE Niedersachsen: Vortragsveranstaltungen 2021 in Filmen
- Veranstaltungsflyer: "frauenORTE Niedersachsen: Ausstellung und Veranstaltungsserie vom 19. bis 30. Oktober 2021"(PDF-Datei: PDF, 2.2 MB, nicht barrierefrei)
Ruth Zimmermann: Kleidermacherin und Konfektion -Schneiderkunst aus Wolfenbüttel
Friederike Riedesel - im 18. Jahrhundert zwischen Wolfenbüttel, Kanada und Amerika
Besondere Frauen aus Wolfenbüttel
Hedwig - eine heilkundliche und sozial handelnde Herzogin
Hedwig, führte eine fürstliche Hausapotheke, ihr sogenanntes Lazarett. Sie gilt als „Gründerin der Wolfenbütteler Hofapotheke“. Im Jahr 1646 ließ Herzog August d. Jüngere, im Gebäude des heutigen „Bankhaus Seeliger“, eine fürstliche Apotheke einrichten.
Schwierige Familienverhältnisse
Hedwig, Tochter eines Kurfürsten und einer polnischen Königstochter, wurde in Cölln (heute Berlin) geboren. In Küstrin lernte sie Prinz Julius (1528-1589) kennen und lieben, wohin er vor seinem aggressivem Vater Herzog Heinrich d. Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg (1489-1568) geflüchtet war. Während Hedwig und Julius die Reformation unterstützten, tat Heinrich alles, um diese in seinem Land zu verhindern. Familiäre Spannungen waren unvermeidbar. Erst als Hedwig einen Sohn und Thronfolger gebar, stimmte dies ihren Schwiegervater milder. Hedwig und Julius wurden nach Heinrichs Tod das erste protestantische Herzogpaar in Wolfenbüttel.
„Apothekerin“ und „Ärztin“ mit eigenem Laboratorium
Hedwig verband ihr Interesse an Heilpflanzen und wohl auch ihre Freude an der Gartenarbeit mit wohltätigen Aufgaben. Ihr umfangreiches botanisches und heilkundliches Wissen war besonders wichtig für die Verarbeitung von giftigen Pflanzen und auch für die Verordnung von Arzneien. Sogar ein eigenes Rezept für ein Destillat aus Kräutern und Gewürzen, ein sogenanntes Lebenswasser, ist überliefert. Blumige und würzige Düfte durchzogen ihr Laboratorium, wenn sie ein „Maiglöckchen Wasser“ herstellte, das auch damals kostbare Gewürze wie Muskat enthielt. Duftende Märzveilchen wurden zu einem Sirup gegen trockenen Husten und Fieber verarbeitet. Rosenöl stellte sie in großen Mengen zur Heilung leichter Hautverletzungen her. Die giftige Osterluzei, zur Förderung der Geburt und Nachgeburt, findet sich in einer Pflanzenbestellung für ihren Garten - genauso wie Basilikum, das als Tee ebenfalls die Geburt fördert und entspannende Melisse, die auch „Frauenkraut“ heißt.
Mit diesen und anderen Kräutern aus ihrem Garten behandelte Hedwig vermutlich Frauen während und nach der Geburt. Das war ihr Beitrag, um die hohe Sterblichkeit von Müttern und Kindern zu senken. Sie kümmerte sich aber um bedürftige Menschen jeden Geschlechts in der Heinrichstadt, wie der Stadtteil in der Nähe der Burg Wolfenbüttel, dem heutigen Schloss, damals hieß.
Bildung für Jungen und Mädchen
Hedwig, die wusste wie wichtig Bildung ist, gab elternlosen Kindern eine Zukunft. Mädchen wurden in adeligen Familien untergebracht oder in einem Kloster. Jungen durften zur Schule gehen und ein Handwerk erlernen.
Kluge Ratgeberin mit kriminalistischem Gespür in unruhigen Jahren
Als eine Gruppe Goldmacher auf die Burg kam und vier Jahre lang ihr Unwesen trieb, zeigte die „lebenskluge“ Hedwig Durchhaltevermögen. All die Jahre warnte sie ihren Mann vor Betrug und Schaden für das Herzoghaus. Doch sein Wunsch nach Gold und Gesundheit durch den „Stein der Weisen“ war so groß, dass er ihren Rat ignorierte. Besonders die junge Anna Maria Ziegler („Schlüter Liese“), hielt Julius immer wieder hin. Ein Giftanschlag auf die kritische Hedwig misslang, brachte die Wende und im Jahr 1575 die Hinrichtung der Goldmacher. Anna Maria Ziegler, die „Schlüter-Liese“, starb auf dem Scheiterhaufen.
Lebensende
Als Witwe lebte Hedwig ab 1589 auf Schloss Hessen, wo sie den Garten weiter ausbaute. Kurz vor ihrem Ende kehrte sie nach Wolfenbüttel zurück und starb dort im Jahr 1602.
Literaturangaben
- Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Basel 2013. S. 75 f.
- Hans-Henning Grote: Schloss Wolfenbüttel. Braunschweig 2005, S. 55.
- Horst-Rüdiger Jarck (Hrsg.) Braunschweigisches Biographisches Lexikon 8.-18. Jahrhundert, Braunschweig 2006
- Wolfgang Kelsch und Wolfgang Lange: Häuser und Portale […] Wolfenbüttel 1981, S. 50.
- Hans-Joachim Kraschewski: Julius, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg. In: Horst-Rüdiger Jarck (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon. Braunschweig 2006, S. 386.
- Britta-Juliane Kruse: Korrespondenznetzwerke […] Herzog August Bibliothek. PURL: Korrespondenznetzwerke am Wolfenbütteler Hof: Briefwechsel von Julius und Hedwig von Braunschweig-Lüneburg (1550‒1600) - Herzog August Bibliothek Abgerufen 28.03.2024.
- Britta-Juliane Kruse: Adelige Witwen im Netz frühzeitlicher Verhaltensdiskurse. In: Schleinert, Dirk, Schneikart, Monika (Hrsg.) Zwischen Thronsaal und Frawenzimmer. Handlungsfelder pommerscher Fürstinnen um 1600. Köln 2017, S. 45 bis 50, 54.
- Hans Dieter Lange: Sömmering. In: Horst-Rüdiger Jarck (Hrsg.): Braunschweigisches Biogr. Lexikon, S. 657 f.
- Christian Lippelt: Heinrich d. J. Herzog zu Braunschweig […]. In: Jarck, S. 322 f.
- Margret Madejski: Praxishandbuch Frauenkräuter. Aarau u. München 2019, S. 40 f., 127.
- NLA WO [Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel]
- 11 Alt Mart Nr. 701 Mariental, Kloster, Übersendung Kräuter, Wolfenbüttel, Lustgarten.
- 1 Alt 23 Nr. 127 Schreiben der Herzogin Hedwig […] an dessen Stiefmutter Herzogin Sophia […]
- Paul Raabe: Spaziergänge durch Lessings Wolfenbüttel. Zürich u. Hamburg 1997, S. 125.
- Friedrich Thöne: Wolfenbüttel. Geist und Glanz […] München 1968, S. 47
- Johannes Tornarius: Eine Leichenpredigt. Herzog August Bibliothek. Eine Leichenpredigt - Herzog August Bibliothek . Abgerufen 28.03.2024
- Gabriele Wacker: Arznei und Confect. Medikale Kultur am Wolfenbütteler Hof im 16. und 17. Jh. In: Wolfenbütteler Forschungen, Band 134 (2013), S. 177 bis 179, 308 bis 332, 528 f.
- Silke Wagener-Fimpel: Hedwig Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg (Wol): In Jarck (Hrsg.): Braunschw. Biogr. Lexikon. Braunschweig 2006, S. 306.
Anna Meyer, verwitwete Spier, geborene Kaufmann
Geboren 16. Juli 1852 in Frankenthal/Pfalz gestorben 28. Dezember 1933 in Göttingen
Die Tochter des Weinhändlerehepaares Max und Barbara Kaufmann wurde 1869 Schülerin an dem von Henriette Breymann gegründeten Institut Neu Watzum in Wolfenbüttel. Vermutlich hier lernte sie den politisch engagierten, an der jüdischen Samson Schule als Lehrer tätigen Samuel Spier (1838-1903) kennen. Spier verließ 1871 Wolfenbüttel und übernahm von einem Onkel die Leitung dessen jüdischen Internats in Segnitz. Anna folgte ihm und beide heirateten am 16. September 1872.
Drei Kinder wurden den Eheleuten geboren:
- Maria Sara, geboren 3. November 1873, gestorben 16. April 1875
- Oscar Benedict, geboren 29. März 1875, Rechtsanwalt in Frankfurt a.M. ab 1939 zunehmende nationalsoz. Repressalien März 1940 Suizid
- Else Caroline, geboren 14. November 1876, gestorben 27. April 1921
Die seit 1903 verwitwete Anna Spier heiratet in zweiter Ehe am 24. August 1910 in München den Mediziner und Chemiker Erich Meyer (1874 bis 1927). 1927 neuerlich verwitwet zog sie nach Göttingen, in die Nähe ihrer Tochter, wo sie am 28. Dezember 1933 verstarb.
Durch die Aktivitäten ihres Ehemannes Samuel Spier erhielt Anna Kontakt zu namhaften Persönlichkeiten aus Kunst, Literatur und Politik (beispielsweise Schriftsteller Ludwig Pfau, Maler Franz von Lenbach, Verleger Edgar Hanfstaengl, Politikerin Elly Heuss-Knapp, Hedwig Dohm-Pringsheim Tochter des Kladderadatsch-Herausgebers und Mutter der späteren Ehefrau von Thomas Manns, Schriftstellerin Helene Böhlau) und entwickelt sich zu einer anerkannten Schriftstellerin und Kunsthistorikerin. Einige ihrer Publikationen:
- Anna Spier: Hermann Kaulbach. In: Velhagen & Klasings Monatshefte; 9 (1894/95), S. 409-427.
- Anna Spier: Begleittext zu Anton Burger. Gravuren nach Originalen des Meisters. In: Die Kunst unserer Zeit, München, Hanfstaengl, 1894, S. 57 bis 80
- Anna Spier: Hans Thoma. Ein Portrait. Heinrich Keller, Frankfurt a. M. 1900.
- Anna Spier: Hans Thoma. In: Die Kunst unserer Zeit. 11. Jahrgang. 1. Halbband. Franz Hanfstaengl, München 1900, S. 61 bis 112.
- Anna Spier: Franz von Lenbach. In: Kunst unserer Zeit.Jg. 16 (1905), H. 2, München: Hanfstaengl: 1905, S. 151 bis 170
- Anna Spier: Gustav Schönleber. In: Kunst für alle : Malerei, Plastik, Graphik, Architektur . - München : Bruckmann ; München : Verl.-Anst. für Kunst u. Wissenschaft, 1886 bis 1943. - Bd. 30 (1914/15), S. 361 bis 370. doi:10.11588/diglit.13093.78
Hervorzuheben sei die Freundschaft zu dem Maler Hans Thoma. Über ihn verfasste sie eine biografische Beschreibung und wiederum portraitierte sie in einem Gemälde. Letzteres gelangte über mehrere Umwege in das Germanische Nationalmuseum Nürnberg.
- Ursula Peters: Frau Anna Spier. Ein neuerworbenes Porträt. In: Monatsanzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg 145 (1993), S. 1163 bis 1166. doi:10.11588/ma.1993.145.26752 Werkverzeichnis
- Ursula Peters: Frau Anna Spier. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums. Nürnberg 1993, S. 364 bis 366.
- Henry Thode: Thoma. Des Meisters Gemälde. Stuttgart/Leipzig 1909, S. 16f., 20f. und 29, Abb. S. 336.
- Kindlers Malerei Lexikon, Bd. 11, München 1976, S. 353.
- Hans Thoma. In. AKL Online, Dok-ID: _00219750 (16.06.2011)
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Signatur Abt. 519/D Nr. Js 8108
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Signatur Abt. 519/A Nr. Ffm 7763
- Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Signatur: SMB-ZA, I/NG 1349.
Dora Amalie Johanna Prüfer
Geboren 12. Februar 1884 Wolfenbüttel, gestorben 15. April 1934 in Wolfenbüttel, Schneiderin, Berufsschullehrerin, politisch und sozial engagiert
Dora war das vierte Kind der Eheleute Hanna und Traugott Schelz. Der Vater war an der Strafanstalt als Gefangenenaufseher tätig. Dora, ebenso wie ihre Geschwister, wuchs in wirtschaftlich bescheidenen Verhältnissen auf. Sie lernte Schneiderin und übte den Beruf auch noch mehrere Jahre nach der Ausbildung aus. Wohl 1919, das genaue Datum ließ sich nicht ermitteln, übernahm sie eine Anstellung als Fachlehrerin an der Fortbildungsschule für Mädchen.
Am 15. Januar 1921, bereits 37jährig, verheiratete sie sich mit dem rund dreizehn Jahre älteren Versicherungsobmann Wilhelm Prüfer (geb. 15. Juni 1871 in Plauen). Beide bezogen eine gemeinsame Wohnung in der Blücherstraße 28. Zuvor hatte sie zusammen mit ihrem Bruder Albert nicht weit davon entfernt, im Haus Blücherstraße 6 gewohnt.
Bruder Albert war 1909 als erster Abgeordneter der SPD überhaupt, in den Rat der Stadt Wolfenbüttel gewählt worden. Später war er beispielsweise Abgeordneter im Braunschweiger Landtag, Bürgermeister von Schöppenstedt und Kreisdirektor von Holzminden.
Dora stand ihrem Bruder mit Blick auf das politische und soziale Engagement in nichts nach. Wie ihr Bruder war sie bei den Sozialdemokraten engagiert und bekleidete Vorstandsfunktionen. 1924 gehörte sie zum Gründerkreis des Wolfenbütteler Ortsvereins der Arbeiterwohlfahrt. Als zweite Frau überhaupt, wurde sie am 29. Mai 1921 für die SPD in das Stadtparlament gewählt und hier Mitglied im Schulausschuss. Bei den Wahlen vom 26. Februar 1928 wurde sie zusätzlich auch noch Abgeordnete im Kreistag. In Ausübung ihrer politischen Ämter hatte sie einen Sitz im Vorstand der städtischen Fortbildungsschule, war Vorsitzende des I. Bezirks des Wohlfahrtsamtes (Armenpflegschaft) und Revisorin der Krankenhausaufsicht.
Im Januar 1930 wurde sie auch in den Vorstand der Theatergemeinde gewählt. Unmittelbar nach der Wahl gab es aber aus den Reihen der Mitglieder heftige Widersprüche, so dass im Mai eine Wahlwiederholung erfolgte. Dabei entfiel auf Dora Prüfer nicht mehr die erforderliche Stimmenmehrheit.
1933 gehörte Dora Prüfer mit zu denen, die unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in deren Visier genommen wurden. Am 13. April des Jahres wurde sie verhaftet. Wohin sie gebracht wurde, was man ihr zur Last legte und wie lange die Inhaftierung dauerte, darüber haben sich keine Unterlagen finden lassen. Sie trat jedenfalls bis zu ihrem Tod im Mai 1934 nicht mehr politisch und mit öffentlichem sozialem Engagement in Erscheinung. Ihr Ehemann, Wilhelm Prüfer, starb am 14. Januar 1947.
Dr. med. Annemarie Röpke - Kinderärztin
Lebensdaten : 25. Februar 1926 bis 23. Dezember 2017
Tauf- und Konfirmationsspruch, das Bibelwort, das sie ihr Leben lang durch frohe und durch schwere Momente begleitet hat: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“ ( im ersten Buch Mose). In ihren Aufzeichnungen hat sie vermerkt: „Ein anspruchsvolles Bibelwort“. Sie wusste ihr Leben von Gottes Segen getragen und umschlossen.
Annemarie Röpke wurde als zweites von drei Mädchen der Familie Röpke in Beddingen (heute Teilort von Satzgitter) geboren. Ihr Vater war dort Pfarrer, später Oberlandeskirchenrat in Wolfenbüttel. Die Kindheit war geprägt von dem Leben in einem engagierten Pfarrhaus, auch von der Freiheit die das Leben als Dorfkind mit sich brachte.
Nach der Grundschulzeit kam der Umzug nach Wolfenbüttel. Hier besuchte sie das Anna-Vorwerk Lyceum, so hieß das Gymnasium im Schloss damals.
1944 machte sie ihren Abschluss. Nach Arbeitsdienst und Dienst in einem Lazarett holte sie nach Kriegsende die noch ausstehenden Prüfungen nach.
Da sie nicht sofort einen Studienplatz in Medizin erhielt, machte sie die Ausbildung zur Krankengymnastin in Göttingen und arbeitete vier Jahre im Städtischen Krankenhaus in Goslar.
1955 konnte sie endlich das Medizinstudium in Göttingen aufnehmen, das sie 1960 abschloss. Es folgte die Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde am Städtischen Klinikum Braunschweig, und 1968 konnte sie in Wolfenbüttel am Schloßplatz 3 ihre eigene Praxis eröffnen. Die Selbständigkeit und das eigenverantwortliche Arbeiten waren ihr wichtig. Sie war mit Leidenschaft Kinderärztin – ihrem schon früh gewählten Berufsziel. Ihr begleitendes, in der Praxis für jeden lesbar angebrachtes Selbstverständnis war: „Dienst ist nicht Last, sondern Freude“ (Bodelschwingh).
Nach Beendigung der Selbstständigkeit 1991 und Übergabe der Praxis an einen Nachfolger übernahm sie noch Praxis-Vertretungen in Halberstadt und Badersleben.
1971 baute sie für sich und ihre Mutter das Haus in der Blankenburger Straße. Später wurde es durch Erweiterung zum Lebensraum für ihre Schwester und Schwager; in den letzten Jahren haben die beiden Schwestern Käthe Kaulitz und Annemarie Röpke freundschaftlich und sich unterstützend zusammengelebt. Die letzten eineinhalb Jahre des Lebens hat Annemarie Röpke mit Hilfe von Pflegekräften ihre Selbständigkeit bewahren können, begleitet von liebevoller familiärer Unterstützung.
Privat lebte sie und verstand sich als Teil der großen Familie, die ihre Schwestern mit Ehepartnern und Kindern bildeten. Nichten und Neffen und auch ihre elf Großnichten und Neffen erweiterten den Familienkreis. Familiäre Zusammenkünfte waren ihr wertvoll und wurden von ihr liebevoll gestaltet.
Ausdruck ihrer Lebenshaltung war, dass sie Wert auf Formen legte, die dem Leben Wert und dem Alltag ein freundlicheres Gesicht geben. In ihrem respektvollen Umgang brachte sie eine hohe Wertschätzung des Mit-Menschen zum Ausdruck.
Lieselotte Boas
Liselotte Maschke (sie wurde später Samson genannt, denn ihre Mutter war eine geborene Samson und mit Dr. Max Maschke verheiratet), geboren am 29. Dezember 1903, war in der siebten Generation das letzte Mitglied der Wolfenbütteler Linie des Gumpel Fulda ben Mose. Familie Maschke verband eine jahrzehntelange Freundschaft mit der jüdischen Familie Reis, deren Tochter Lieselotte gleichaltrig mit Liselotte war. Liselotte Maschke wanderte in der Nazizeit nach Paris aus. Dort heiratete sie Dr. Ernest Boas. Er war in einer jüdischen Familie am 28. April 1900 in Berlin geboren. 1918 machte er Abitur und ging zur Kriegsmarine. Nach dem Maschinenbau-Studium in Berlin arbeitete er für einige Jahre in Indonesien, ging dann nach Frankreich, wo er die französische Staatsbürgerschaft erhielt. Im Mai 1940, nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht, erfolgte die Flucht über die Pyrenäen nach Portugal, wo das Ehepaar Visa für die Einreise nach Brasilien erhielt. Sie ließen sich in Sao Paulo nieder. Die Ehe war glücklich, blieb aber kinderlos. Im Jahr 1949 starb Liselotte und so erlosch der Familienzweig der Wolfenbütteler Samson-Familie.
Der Vorfahre von Lieselotte, Lippmann Reis (1788–1851), war Anfang des 19. Jahrhunderts aus Hildesheim nach Wolfenbüttel gekommen, um das neugeschaffene Amt des Hofbankiers anzutreten. Später führte er eine wesentliche Verbesserung der Braunschweiger Staatslotterie ein. Sein Sohn Nathan wurde Nachfolger als Lotterie-Kollektor. Nathan Reis hatte vier Töchter und bekam dann Sohn Erich, der auch Lotterie-Kollektor wurde. Im Ersten Weltkrieg wurde die Lotterie, die inzwischen ein Teil der preußischen Staatslotterie geworden war, eingestellt. Erst 1923 nach der Umstellung auf neue Rentenmark wurde die Lotterie wieder aktiv. Erich Reis war 1921 verstorben, sein ältester Sohn studierte Medizin und der jüngste Sohn ging noch zur Schule. So wurde das Amt des Lotterie-Kollektors der Witwe angeboten. Sie setzte ihre Tochter Lieselotte als Geschäftsführerin ein.
Lieselotte hatte die Anna-Vorwerk-Schule in Wolfenbüttel erfolgreich abgeschlossen und war dann zur höheren Handelsschule nach Hannover gegangen, wo sie das moderne Abrechnungswesen und die Methoden des Marketings erlernte. So war sie gut auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Binnen kurzem konnte sie die Teilnehmerzahl der Lotteriespieler beträchtlich erweitern. Doch als die Nazis an die Regierung kamen, erwies sich das als Nachteil, denn eine so bekannte Familie wurde eines ihrer ersten Opfer. 1933 wurde Lieselotte Reis die Lotterieverwaltung entzogen. Gleichzeitig musste sie das seit über 100 Jahren der Familie gehörende Haus in der Langen Herzogstraße 26 verkaufen. „Arische Nachbarn“ erwarben es zu einem „sehr günstigen Preis“.
Daraufhin entschloss sie sich, das Land zu verlassen und weit weg nach Übersee zu gehen. Aber vorher wollte sie etwas von Grund auf lernen, um sich im neuen Land selbstständig betätigen zu können. Sie wählte die Kosmetikbranche, die sich in den vergangenen 10 Jahren weltweit entwickelt hatte. Nachdem sie 1936 ihr Diplom erhalten hatte, wanderte sie mit ihrer Mutter nach Brasilien aus. Auch für ihre beiden Brüder hatte sie eine Versorgung im Ausland gefunden. Durch ihren Fleiß und ihre Ausdauer gelang es ihr, aus dem Nichts ein Unternehmen aufzubauen.
Ihre alte Spielkameradin und langjährige Freundin, Liselotte Boas-Maschke (genannt Samson-Boas) und ihr Mann Ernest trafen auch in Sao Paulo ein. Es war ein harmonisches lebensfrohes Kleeblatt, das nur wenige gemeinsame Jahre hatte, denn Liselotte erkrankte an Krebs und starb 1949. Fünf Jahre danach heirateten Lieselotte Reis und Dr. Ernest Boas. Sie bekamen drei Kinder. Ihren Lebensabend verbrachten sie in der französischen Schweiz und widmeten sich der Aufgabe, den Vertriebenen und Umgekommenen der Nazi-Verfolgung ein bleibendes Denkmal zu setzen. 1998 verstarb Ernest Boas, Lieselotte hundertjährig im Jahr 2003. Beide sind gemäß ihrem Wunsch auf dem jüdischen Friedhof in Wolfenbüttel beigesetzt. Ihrer Initiative ist es zu verdanken, dass er nach der Zerstörung vom 9. November 1938 wieder hergestellt wurde. Gabriele Drewes
Ruth Kasten - Sportschützin der Deutschen Nationalmannschaft
Geboren 11. April 1933, gestorben 5. August 2016
Ruth Kasten, geborene Braun – eine starke Frau mit beeindruckenden Leistungen. Diese Stärke zeigte sie bereits im Januar 1945, als sie und ihre Familie ihre Heimat Nalegau, Kreis Wehlau, verlassen mussten. Die Familie Braun flüchtete mit Kutsche und Pferdewagen nach Königsberg.
Mit ihren 11 Jahren lenkte Ruth die Kutsche und brachte ihre schwangere und kranke Mutter in ein Hospital in Königsberg. Später ging die Flucht weiter über die Ostsee nach Dänemark bis ihr Vater die Familie nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1947 in den Landkreis Wolfenbüttel holen konnte.
In Wolfenbüttel besuchte Ruth die Schule und schloss auch Ihre Lehre ab. Anschließend eröffnete sie ihr eigenes Schreibwarengeschäft.
Im Frühjahr 1962 entdeckte sie ihre Liebe und ihr großes Talent zum Schießsport, zunächst mit dem Luftgewehr.
Sie besuchte 1966 einen Frühschoppen, an dem Männer Schießübungen mit einer alten Wehrmachtspistole 08, die der damalige Besitzer im Zweiten Weltkrieg in einer Jauchegrube versteckte hatte, durchgeführt haben.
Zunächst durfte die zarte Frau Ruth Kasten, nach dem Willen der Männer, mit der schweren Pistole nicht mitschießen. Sie setzte sich aber durch und erzielte zur Überraschung Aller das beste Ergebnis dieser Veranstaltung.
Noch im gleichen Jahr wurde sie vom Deutschen Schützenbund in die Nationalmannschaft berufen, der sie zwölf Jahre, von 1966 bis 1978, angehörte. Es war zu der damaligen Zeit sehr ungewöhnlich so lange Mitglied in der Nationalmannschaft zu sein.
Ebenfalls im Jahr 1966 nahm Sie erstmalig an den Deutschen Meisterschaften teil und holte gleich mit der Gebrauchspistole (heute Sportpistole Kleinkaliber) ihre erste Goldmedaille.
Ruth Kasten hat beachtliche Erfolge bei den Weltmeister- und Europameisterschaften sowie bei den Deutschen Meisterschaften erreicht. 1970 wurde sie sogar Vize Weltmeisterin in Phoenix/Arizona USA.
Sie errang 12 Medaillen bei den Welt- und Europameisterschaften und zehn Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften.
Ihre Medaillen: Vier Goldmedaillen, sieben Silbermedaillen und elf Bronzemedaillen
Hauptberuflich betrieb Ruth Kasten bis Ende 1980 ihr eigenes Schreibwarengeschäft an verschiedenen Standorten in der Innenstadt von Wolfenbüttel. Nach Feierabend trainierte sie am Schießstand.
Ruth Kasten - eine starke Frau mit beeindruckenden Leistungen.
Text: Sieglinde Eberhard, Anette Koschker
Quellen: Zeitungsartikel Braunschweiger Zeitung vom 20. März 2015, Persönliches Gespräch mit Ehemann Dietrich Reimann, Chronik Schützenverein Wolfenbüttel von 1601 e.V.: Vier Jahrhunderte Schützen in Wolfenbüttel 1701 - 2001
Gärtnerfrauen
Wolfenbüttel ist seit über 300 Jahren mit dem Berufsstand der Erwerbsgärtnerei verbunden und trug die Bezeichnung Gärtnerstadt. Erste Gärten zur Selbstversorgung wurden 1532 erwähnt. Seit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert vergaben die Herzöge Land für den Gemüseanbau. 1754 nach der Verlegung der Residenz von Wolfenbüttel nach Braunschweig wurden die Lust- und Küchengärten der Hofbeamten und herzoglichen Angestellten vor den Toren der Stadt frei. Die dort beschäftigten Knechte und auch die ausgebildeten Gärtner konnten diese pachten und bewirtschaften, später auch kaufen.
Im Laufe der Zeit wurden die Anbauflächen vergrößert und es setzte allmählich ein Wandel vom Grobgemüse zum Feingemüseanbau ein. Seit 1747 wurde auch Spargel angebaut, sowie seit 1802 Artischocken. Gurken, Blumenkohl, verschiedene Rüben, Zwiebeln usw. wuchsen hier. Durch die Verbreitung der Kartoffel, Tomate und Gartenbohne aus der Neuen Welt wurden manche einheimischen Arten verdrängt.
1802 gab es 130 Gartenbau treibende Familien in Wolfenbüttel, diese Zahl blieb ungefähr bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges konstant. Es waren die Frauen die eine große Last zu tragen hatten. Sie bekamen viele Kinder, von denen einige früh starben. Mehrere Generationen lebten unter einem Dach und mussten versorgt werden. Die männlichen und weiblichen Gehilfen bekamen Lohn sowie Kost, Logis und Familienanschluss. Die Ehefrauen arbeiteten gleichberechtigt mit auf den Feldern, ernteten und machten das Obst und Gemüse fertig zum Verkauf, später arbeiteten sie auch in der Konservenindustrie. 1873 war Busch, Barnewitz & Co. gegründet worden, es folgten noch fünf weitere Fabriken. Besonders gefragt waren Spargel, Bohnen, Grünkohl, Spinat, Sellerie und Erbsen. Die Gründung der EWG führte zum Niedergang der Konservenindustrie. 1980 wurde die letzte Fabrik geschlossen, viele Frauen verloren ihren Arbeitsplatz.
Außerdem musste die mühsame Hausarbeit für die Großfamilie erledigt werden, zum Beispiel der Waschtag alle vier Wochen oder das Haltbarmachen von Lebensmitteln. Die Arbeit in Garten und auf dem Feld stand für die Gärtnerfrau stets an erster Stelle. Für andere Tätigkeiten blieben nur die Abend- und Nachtstunden und die Winterwochen.
Da die Frauen als besonders geschäftstüchtig galten, übernahmen sie meistens auch den Handel mit den Waren. Beliefert wurden Geschäfte, Gasthäuser, Hotels und Märkte in Wolfenbüttel, Braunschweig, Helmstedt und im Harz. Zuhause versorgte eine Oma und ältere Geschwister die jüngeren Kinder während der mehrtägigen Verkaufsfahrt der Mutter.
Anfangs wurde alles zu Fuß in Kiepen, Schiebekarren und Handkarren transportiert. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts besaßen die ersten Gärtner ein Pferd, die zogen 80 bis 90 grüne Kastenwagen im Konvoi nach Braunschweig. Ab 1897 gab es die Straßenbahn. Mit der Eisenbahn wurden Waren nach Bad Harzburg gebracht und dann im Harz verkauft. Aber das Pferdefuhrwerk blieb bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg das wichtigste Transportmittel.
1998 wurde auf Anregung einer Gärtnertochter das Denkmal eines Gärtnerpaares aus dem 19. Jahrhundert vor der Gärtnerkirche (Trinitatiskirche) aufgestellt. Gestiftet von Gärtnerfamilien, Freunden und der Volksbank, zur Erinnerung an die lange Tradition ihrer Vorfahren. Das Gärtnermuseum in einem typischen alten Streckhof zeigt den wichtigen Aspekt unserer Stadtgeschichte, es konnte 2006 erworben und eingerichtet werden.
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