Bauer Boldt: "Bei uns fühlt sich die Natur richtig wohl"
Bauer Boldt kommt seit fast dreißig Jahren auf den Wolfenbütteler Markt. Das ist so lange wie die Grenze, die durch Deutschland und Deutschland ging, wieder offen ist.
Pabstorf liegt nur knappe 40 Kilometer von Wolfenbüttel entfernt. Vor der Wende 1989 war das ungefähr so weit weg wie in die Karibik. Jedenfalls für den Normalbürger, der eher selten dorthin kommt. Eileen Zimmermann, die jetzt Mittwoch um Mittwoch und Samstag um Samstag schon früh morgens mit ihrer Familie auf dem Wolfenbütteler Markt steht, ist also eigentlich ein »alter Nachbar« für uns in der Region. Und doch hat die Geschichte vor noch gar nicht so langer Zeit erst das Tor aufgeschlossen, das den Weg der alten Heerstraße nach Magdeburg, die heute B79 heißt, wieder passierbar gemacht hat.
Auf dem Weg dorthin liegt der Huy mit der kleinen Gemeinde Pabstorf, in der die Familie lebt und arbeitet. Für die Boldts ist dieser historische Einschnitt 1989 ein ganz besonderer. Das berichtet seine Tochter, Eileen Zimmermann, mit einigem Stolz. Im Hintergrund hört man das berühmt berüchtigte "Dankeschööön" eines der Nachbarstände der Boldts, an dem ein guter Imbiss gereicht wird, während sie ihre Geschichte erzählt. Vor ihr liegen in Holzstiegen gerade geerntete Kartoffeln, an denen noch die frische Erde haftet. Erde, die die Familie nun seit 27 Jahren wieder in eigener Regie bewirtschaftet.
Von der LPG zum eigenen Betrieb
"Vor der Wende hatte mein Vater in der LPG gearbeitet und es war immer sein Traum gewesen, dass er als eigener Herr irgendwann dort wieder den Acker pflügen könnte", berichtet sie. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als zwei deutsche Staaten entstanden, schnitt nicht nur eine bald unüberwindliche Grenze Regionen und Menschen entzwei. In der ehemaligen DDR war auch Privatbesitz nicht gern gesehen. Deshalb wurden Bauernhöfe verstaatlich und zu "Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften" kollektiviert. Schon damals, berichtet Eileen Zimmermann, die zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwager den Betrieb seit 2008 führt, habe es einen Garten am Bauernhof gegeben. Aber unter eigener Regie konnte sich alles natürlich viel individueller entwickeln. "Bauer Boldt" – unter diesem Namen findet man den Betrieb auch im Internet – ist für die Familie nicht nur ein Name, sondern Programm. Und er ist das, was man einen richtigen Familienbetrieb nennen kann.
Alle helfen mit!
Alle helfen mit, und alle sind dabei, wenn es darum geht, frische Produkte vom Erzeuger direkt zum Kunden zu bringen. Bauer ist ein ganz bewusst gewählter Begriff. "Wir sind keine Landwirte, sondern Bauern. Bei uns geht es in großen Zügen noch so zu wie vor hundert Jahren", erklärt sie. Diese Bewirtschaftung braucht Menschen und so kam es auch, dass ihr Mann, der im Hauptberuf in Wolfenbüttel Orthopädieschuhmacher war, sich nun statt mit Schuhen mit Pflanzen beschäftigt. Mit Freude, wie er lachend bestätigt, während er gerade Nachschub holt. Auf den zwölf Hektar werden Rüben, Getreide, Kartoffeln und Gemüse angebaut. "Angefangen hat alles mit den Eiern. Mit denen sind wir zuerst auf den Wolfenbütteler Markt gefahren", erinnert sich Eileen Zimmermann. Später ist das Gemüse dann dazu gekommen. "Für so eine kleine Fläche wird man manchmal schon belächelt. Aber wir sind stolz auf das, was wir uns aufgebaut haben", gibt sie sich selbstbewusst.
Immer wieder Neues
Die Gemüseproduktion sei in den vergangenen Jahren mehr und mehr vergrößert worden. Neue Sorten, wie etwa vor zwei Jahren der Mangold, kamen dazu. Bei den Tomaten setzten die Boldts schon immer auf Freilandpflanzen und bieten nun eine bunte Vielfalt von Sorten an, die man sonst kaum noch kennt. Ein Hektar Gemüseacker mag wenig sein – jedenfalls verglichen mit der industriellen Großproduktion. Aber die Boldts bringen eine unglaubliche Vielfalt aus ihrem Acker hervor. Rund 30 verschiedene Sorten werden in Pabstorf angebaut und auf dem Wolfenbütteler Markt verkauft. Qualität hat die oberste Priorität: "Wir setzen auf viel Handarbeit. Jede Bohne war einmal in der Hand und wurde damit kontrolliert. Bei der Bodenarbeit setzen wir auf mechanische Bodenbearbeitung statt auf Unkrautvernichtungsmittel. Bei uns ist die Natur richtig gut drauf", freut sie sich. Wer den Hof besuchen kommt, wird im Sommer unzählige Bienen und Hummeln erleben. Und auch Hasen sind bei den Boldts noch zuhause. Manchmal helfen auch mechanische Tricks, um lästige Schädlinge zu vertreiben. So lieg etwa auf dem Kohl Vlies, der sie auf natürliche Weise fernhält. "Diese schonende und nachhaltige Anbaumethode ist sehr aufwändig. Jedoch erzielen wir dadurch eine sehr hohe Qualität, die von unseren Kunden geschätzt wird", so Eileen Zimmermann.
Mit Leidenschaft am Werk
Wenn man mit den Boldts spricht, hat man den Eindruck, dass da Menschen am Werk sind, die ihre Arbeit ganz und gar mit Leidenschaft und Herz betreiben. "Bei unserer Arbeit wird es nie langweilig. Man kann immer überlegen und tüfteln: Was braucht eine Pflanze? Was schadet ihr? Und am Ende danken die Pflanzen einem die Pflege und Sorgfalt", erklärt Eileen Zimmermann. Bei Fehlern schließlich gebe es stets die Möglichkeit zur Revision. Im Winter könne überlegt werden: Was kann ich besser machen? Was anders?
Auf dem Markt in Wolfenbüttel sind die Boldts gern: "Es ist einer der schönsten Märkte überhaupt. Er ist noch grün und abwechslungsreich. Und er ist kommunikativ." So käme es zum Beispiel immer wieder vor, dass Kunden sich nach Zubereitungsarten erkundigten. Deshalb bekommen sie auch gern Rezepte und gute Tipps mit. Bauer Boldt kommt aus einem anderen Bundesland – Sachsen-Anhalt. Aber gut nachbarschaftlich können wir uns in Wolfenbüttel, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, an seinen natürlichen Produkten erfreuen.