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Mittendrin im Klimawandel: "Wir müssen die Augen öffnen und sehen, was da auf uns zukommt"

„Was an dem da draußen ist jetzt eigentlich Wetter und was ist Klimawandel?“ Eine Frage, die Karsten Schwanke immer wieder gestellt wird. Der TV-Meteorologe, Wissenschaftsjournalist und ARD-Wettermoderator war am Montag, 26. Februar 2024 auf Einladung der Stadt Wolfenbüttel zur Klimaschutz-Veranstaltung in der Lindenhalle zu Gast.

Drei Männer und eine Frau stehen vor einer Leinwand, auf der eine schmelzende Weltkugel auf einer Eiswaffel zu sehen ist, darunter steht "Wolfenbüttels Klima". © Stadt Wolfenbüttel
von links: Stadtbaurat Klaus Benscheidt, Karsten Schwanke, Klimaschutzmanagerin Klara Krüger und Bürgermeister Ivica Lukanic.

„Das ist eine sehr komplizierte Frage und noch vor 20 Jahren hätte auch ich gesagt, oh, diese beiden Begriffe Wetter und Klima dürfen wir nicht in einen Topf werfen“, verriet er den rund 200 Besucherinnen und Besuchern im Veranstaltungssaal. Heute sieht seine Erklärung anders aus. „Das eine, das Wetter, das ist das, was jetzt da draußen in dieser Sekunde passiert. Wir fühlen es, wir bekommen es mit. Jeder Mensch hat eine Meinung zu diesem Wetter, es berührt uns auch emotional. Wir finden es doof, manche finden es gut, je nachdem, was da draußen ist. Und Klima, das sind langjährige statistische Mittelwerte von einem Ort, von dem Wetter an einem Ort, von einer Region, von einem Land oder von der ganzen Welt. Meistens 30 Jahre, manchmal 20 Jahre. Das darf man natürlich streng wissenschaftlich nicht miteinander vergleichen, aber mit dieser streng wissenschaftlich korrekten Definition könnte ich mich natürlich auch in 100 Jahren noch hinstellen und könnte sagen, wir können diese Frage nicht beantworten, aber das ist natürlich gelogen. Wir müssen diese Frage beantworten, denn wir werden diesen Klimawandel ja nicht dadurch spüren, dass irgendwelche statistischen Mittelwerte aus den Wolken herausfallen, sondern durch die Veränderung des tagtäglichen Wetters.“

Ein Mann spricht in ein Headset-Mikrofon und gestikuliert dabei mit einem Arm und der Hand © Stadt Wolfenbüttel
Karsten Schwanke benannte die Punkte, die der Klimawandel für uns bedeutet.

Das Problem dabei? „Wir Menschen sind biologisch nicht in der Lage, die Temperatur, die um uns herum herrscht, auf ein Grad Genauigkeit zu schätzen“, sagt Schwanke. Und darin liegt auch eines der größten Probleme bei der Kommunikation des Klimawandels. „Jetzt gehen Sie mal auf den Marktplatz von Wolfenbüttel und erzählen den Menschen, was bitte sehr so schlimm daran sein soll, wenn es 1 Grad Celsius wärmer ist. Das kapiert kaum ein Mensch. Wo bitte wäre das Problem, wenn es heute in Wolfenbüttel statt 9 Grad Celsius 10 Grad Celsius gewesen wäre? Das wäre natürlich kein Problem. Wo wäre das Problem, wenn es im Sommer statt 28°C 29°C sind? Das wäre auch kein Problem. Da fällt kein Vogel tot vom Baum. Das Problem ist, dass wir diese Zahlen nicht verstehen. Wir müssen uns von diesen globalen Mittelwerten verabschieden, wenn wir den Kern dieses Klimawandels wirklich verstehen wollen“, verdeutlicht der Meteorologe.

Es ist also nicht die Frage, ob es ein Grad mehr Wärme hat oder nicht. Es ist das Tempo dieser Erwärmung, das das Problem ist. „Ich höre immer wieder, ja, früher war es doch auch schon mal. Und da gab es doch auch schon…; ja, gab es, aber nicht in der Geschwindigkeit. Man muss es wirklich ganz klar sagen, es wäre kein Problem, wenn es bei uns in Deutschland 3, 4, 5, 8 Grad wärmer wäre. Das wäre kein Problem, wenn es immer schon so wäre oder wenn diese Erwärmung über Zehntausende, über Hunderttausende Jahre sich abgespielt hätte. Das Problem ist dieses Tempo der Veränderung. Da wird unsere Vegetation da draußen, da werden auch wir Menschen größere Probleme haben, uns daran anzupassen“, stellt Schwanke fest.

Lin der Lindenhalle sitzen viele Personen in Stuhlreihen © Stadt Wolfenbüttel
Rund 200 Interessierte konnten in der Lindenhalle begrüßt werden.

„Wir gehen heute davon aus, dass wir vor dem Jahre 2050 die 45 Grad in Deutschland sehen, 45 Grad im Schatten. Darauf ist dieses Land nicht vorbereitet. Es geht hier nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen, es geht darum, dass wir die Augen öffnen müssen, damit wir sehen, was da auf uns zukommt, damit wir reagieren können, damit wir etwas machen können“, appelliert der TV-Wettermann. Wie sind die Temperaturen hier in dieser Region angestiegen? „Ich habe mir jeweils die heißeste Temperatur des Sommers rausgesucht. Um etwa 4,5 Grad sind die Hitzewellen im Sommer hier wärmer geworden. Wir sind aktuell deutlich im Mittel, bei 34 bis 35 Grad, mit Ausreißern nach oben Richtung 38 Grad und das wird nicht lange dauern, denn dann werden wir auch hier in Wolfenbüttel die 40 Grad sehen.“ Dass Wolfenbüttel die Oker habe, ist in seinen Augen ein Glücksfall für die Stadt. „Die Oker ist das Geschenk der Natur für Ihre Stadt. Pflegen Sie sie. Das ist die beste Kühlmaschine, die Sie haben“, sagt Schwanke.

Die Hitze ist das eine Problem, die Veränderungen bei den Niederschlägen das andere. „Wir werden deutlich intensivere und deutlich längere und deutlich heißere Trockenperioden im Sommer bekommen“, erzählt Karsten Schwanke, „und das ist etwas, was Sie, was viele Menschen im Norden Deutschlands, vor allem in Niedersachsen, in diesem Winter schon erlebt haben – ein mehr an Regen wird vor allem im Winter fallen und die Winterhochwassersituationen, so wie in diesem Jahr, werden in Zukunft zunehmen.“

Hitze, Dürrewellen, das sind die ersten beiden Punkte des Klimawandels. Punkt Nummer drei, die Energie in der Atmosphäre nimmt zu. „Das können wir messen. Zum Beispiel durch die Zunahme von Gewittern und durch die Zunahme von Hagelkörnern“, zählt er auf. Und so kommt man wieder zu diesen Jährlichkeiten in Verbindung mit Naturereignissen, von denen wir uns seiner Meinung nach verabschieden sollten. Der Hochwasserschutz in Deutschland wird nach dem 100-jährigen Hochwasser bezahlt, geplant, gebaut. „Wenn ich ein bisschen in Mathe aufgepasst habe, weiß ich, ja, das kann auch in 300 Jahren kommen, das kann auch in 200 Jahren kommen, aber noch nicht in zehn. Diese Mathematik, diese Statistik, die können wir nur betreiben in einer Welt, die sich nicht verändert. Wir müssen die Augen öffnen, und wir müssen sehen, was da auf uns zukommt, dann können wir uns auch anpassen. Dann können wir auch dem Ganzen etwas entgegensetzen“, so Schwanke eindringlich.

Menschen stehen in einem Raum und sprechen miteinander. Im Hintergrund sind Stellwände mit Infos zu sehen. © Stadt Wolfenbüttel
Im Anschluss konnten sich die Besucherinnen und Besucher vernetzen.

Im Anschluss bat Wolfenbüttels Klimaschutzmanagerin Klara Krüger noch die Anwesenden, sich miteinander zu vernetzen. Dafür waren mehrere Infotafeln zu verschiedenen Themen aufgebaut, zu denen sich Interessierte eintragen konnten. Die Vernetzung steht allen weiteren interessierten Bürgerinnen und Bürgern noch offen. Bis zum 31. März 2024 besteht noch die Möglichkeit sich zu den verschiedenen Vernetzungsthemen Photovoltaik, Elektromobilität Nachhaltige Mobilität und Radverkehr, Wärmelösungen sowie Nachhaltiges Bauen und Dämmen einzutragen:

zum Anmeldeformular: Vernetzung zu Klimaschutzthemen

Bürgermeister Ivica Lukanic war von dem spannenden Vortrag sehr angetan. „Dies muss uns hier in Wolfenbüttel motivieren alles dazu beizutragen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Deshalb lautet der Titel der Veranstaltung ,Wolfenbüttels Klima ist das, was wir daraus machen‘. Insbesondere die letzten Wochen, die vom Hochwasser geprägt waren, haben gezeigt, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Ich kann mit Stolz sagen, dass wir in Wolfenbüttel in den letzten Jahren gemeinschaftlich viel bewegt haben“, so Lukanic. Dass sich die Stadt Wolfenbüttel aktiv dem Klimaschutz verschrieben hat und dazu verschiedene Maßnahmen umsetzt bestätigte auch Stadtbaurat Klaus Benscheidt.

Impressionen

Flickr-Album: Wolfenbüttels Klima ist das, was wir daraus machen

Kontakt

Frau Klara Krüger

Stadtverwaltung Wolfenbüttel
Klimaschutz und Umwelt
Klimaschutzmanagerin, Abteilungsleitung

Stadtmarkt 3–6
38300 Wolfenbüttel

28.02.2024