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Gärtnerfrauen

Porträt © Archiv Gärtnermuseum
Erdbeerernte 1927 (Ausschnitt) © Archiv Gärtnermuseum

Wolfenbüttel ist seit über 300 Jahren mit dem Berufsstand der Erwerbsgärtnerei verbunden und trug die Bezeichnung Gärtnerstadt. Erste Gärten zur Selbstversorgung wurden 1532 erwähnt. Seit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert vergaben die Herzöge Land für den Gemüseanbau. 1754 nach der Verlegung der Residenz von Wolfenbüttel nach Braunschweig wurden die Lust- und Küchengärten der Hofbeamten und herzoglichen Angestellten vor den Toren der Stadt frei. Die dort beschäftigten Knechte und auch die ausgebildeten Gärtner konnten diese pachten und bewirtschaften, später auch kaufen.

Im Laufe der Zeit wurden die Anbauflächen vergrößert und es setzte allmählich ein Wandel vom Grobgemüse zum Feingemüseanbau ein. Seit 1747 wurde auch Spargel angebaut, sowie seit 1802 Artischocken. Gurken, Blumenkohl, verschiedene Rüben, Zwiebeln usw. wuchsen hier. Durch die Verbreitung der Kartoffel, Tomate und Gartenbohne aus der Neuen Welt wurden manche einheimischen Arten verdrängt.

1802 gab es 130 Gartenbau treibende Familien in Wolfenbüttel, diese Zahl blieb ungefähr bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges konstant. Es waren die Frauen die eine große Last zu tragen hatten. Sie bekamen viele Kinder, von denen einige früh starben. Mehrere Generationen lebten unter einem Dach und mussten versorgt werden. Die männlichen und weiblichen Gehilfen bekamen Lohn sowie Kost, Logis und Familienanschluss. Die Ehefrauen arbeiteten gleichberechtigt mit auf den Feldern, ernteten und machten das Obst und Gemüse fertig zum Verkauf, später arbeiteten sie auch in der Konservenindustrie. 1873 war Busch, Barnewitz & Co. gegründet worden, es folgten noch fünf weitere Fabriken. Besonders gefragt waren Spargel, Bohnen, Grünkohl, Spinat, Sellerie und Erbsen. Die Gründung der EWG führte zum Niedergang der Konservenindustrie. 1980 wurde die letzte Fabrik geschlossen, viele Frauen verloren ihren Arbeitsplatz.

Außerdem musste die mühsame Hausarbeit für die Großfamilie erledigt werden, zum Beispiel der Waschtag alle vier Wochen oder das Haltbarmachen von Lebensmitteln. Die Arbeit in Garten und auf dem Feld stand für die Gärtnerfrau stets an erster Stelle. Für andere Tätigkeiten blieben nur die Abend- und Nachtstunden und die Winterwochen.

Da die Frauen als besonders geschäftstüchtig galten, übernahmen sie meistens auch den Handel mit den Waren. Beliefert wurden Geschäfte, Gasthäuser, Hotels und Märkte in Wolfenbüttel, Braunschweig, Helmstedt und im Harz. Zuhause versorgte eine Oma und ältere Geschwister die jüngeren Kinder während der mehrtägigen Verkaufsfahrt der Mutter.

Anfangs wurde alles zu Fuß in Kiepen, Schiebekarren und Handkarren transportiert. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts besaßen die ersten Gärtner ein Pferd, die zogen 80 bis 90 grüne Kastenwagen im Konvoi nach Braunschweig. Ab 1897 gab es die Straßenbahn. Mit der Eisenbahn wurden Waren nach Bad Harzburg gebracht und dann im Harz verkauft. Aber das Pferdefuhrwerk blieb bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg das wichtigste Transportmittel.

1998 wurde auf Anregung einer Gärtnertochter das Denkmal eines Gärtnerpaares aus dem 19. Jahrhundert vor der Gärtnerkirche (Trinitatiskirche) aufgestellt. Gestiftet von Gärtnerfamilien, Freunden und der Volksbank, zur Erinnerung an die lange Tradition ihrer Vorfahren. Das Gärtnermuseum in einem typischen alten Streckhof zeigt den wichtigen Aspekt unserer Stadtgeschichte, es konnte 2006 erworben und eingerichtet werden.