Die Kanonen stehen wieder vor dem Zeughaus
Die vier Kanonenrohre stehen wieder vor dem Zeughaus. Behutsam aufgearbeitet und auf neuen Sandsteinsockeln.
Thomas Blume, der das Projekt im Auftrag der Stadt in den vergangenen Monaten betreut hat, ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden. In der vergangenen Woche wurden die Kanonen samt Sockel aufgestellt und ausgerichtet - die Schussrichtung weist auf die Bastion Lindenberg, den heutigen Seeliger-Villa-Hügel – am Freitag, 20. September 2024, legten die Mitarbeiter der Straßenmeisterei noch Hand an und verlegten zum Abschluss der Arbeiten das aufgenommene Pflaster wieder.
Aber warum sind die Kanonen eigentlich wieder an dieser Stelle aufgestellt worden? Dieter Kertscher von der Aktionsgemeinschaft Altstadt erklärt den Hintergrund des Standortes: Vor dem Zeughaus. Bekanntlich wurde mit dem Begriff „Zeug“ früher das militärische Gerät, Waffen, Harnische … somit auch Kanonen bezeichnet. Oben im Zeughaus wohnten die Soldaten. Der welfische in Wolfenbüttel regierende Herzog Heinrich Julius hat 1619 das Zeughaus am Schlossplatz fertigstellen lassen, wie uns diese Jahreszahl über dem Portal verrät. Bis zum Jahre 1900 ist dieses Gebäude entsprechend genutzt worden. Damals entstand die neue Kaserne an der Lindener Straße westlicherseits, wo sich heute Schulgebäude, eine Turnhalle und Stadtvillen befinden. Die „Tanzschule“ ist das einzige verbliebene Gebäude dieser Kaserne aus kaiserlichen Zeiten.
In diesem aus Stein errichteten Gebäude auf der nördlichen Seite des Schlossplatzes lagerten im Erdgeschoss die schweren Waffen, darunter die größten Kanonen der damaligen Zeit, wie in zeitgenössischen Dokumenten nachzulesen ist. Ob auch diese vier jetzt wieder an alter Stelle platzierten Kanonen mal in diesem Gebäude gelegen haben, das wissen wir heute nicht. Gefunden worden sind sie zumindest vor ein paar Jahrzehnten ganz woanders, im Straßenkörper der Kanzleistraße. Dort beim Neubau dieses historischen Straßenzuges ausgegraben, sind diese vier ansehnlichen Geschützrohre vor dem Zeughaus zur Schau gestellt worden. Bis die Umgestaltung des Schlossplatzes begann.
Als Ausweichplatz wurde für mehrere Jahre die Grünfläche vor der heutigen Feuerwache an der Ecke Dr.-Heinrich-Jasper- Straße/Friedrich-Ebert-Straße gewählt. Was militär-historisch nachvollziehbar war, denn genau an dieser Stelle befand sich einst die mächtige Bastion „Mühlenberg“ (nach der nahen „Damm-Mühle“ so bezeichnet). Zur Sicherung des Dammtores in Richtung Westen haben die Bastionen „Mühlenberg“ und „Krokodilsberg“ ihre Kanonen einst auf diesen Zugang von Westen in die Residenzstadt Wolfenbüttel gesichert.
Das Material, aus dem die vier Kanonen gegossen worden sind, ist, wie Kertscher ergänzt, nicht Eisen, sondern Blei. Es dürfte sich bei der Herstellung dieser vier Waffen gezielt um Schaustücke gehandelt haben. Damit zu schießen, hätte sich grundsätzlich verboten. Das Rohr wäre vermutlich geplatzt. Dass diese Kanonen in der Kanzleistraße lagerten, verwundert Kenner der Wolfenbütteler Geschichte nicht. Dort, wo heute das Waagehaus steht, befand sich zu Herzog Julius‘ Zeiten, der „Bleihof“. Also erfreuen wir und Jahrhunderte später an diesen Schau-Stücken des welfischen Militärs in Wolfenbüttel, die nun wieder dort stehen, wohin sie gehören – vor dem „Armamentarium“, dem Zeughaus.