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Agnes Pockels (1862 bis 1935) - Oberflächenchemie von Flüssigkeiten

Gemälde einer Dame in historischer Kleidung © TU BS, Wikimedia Commons, CC0
Agnes Pockels, Porträt circa 1892, gemalt von ihrer Tante Caroline

Der Vater von Agnes Pockels diente in der Österreichischen Armee und war in Italien stationiert. Agnes kam in Venedig, der drei Jahre jüngere Bruder Friedrich in Vicenza zur Welt. 1871 ließ sich die Familie in Braunschweig nieder. Die Eltern waren kränkelnd, so musste Agnes nach dem Abschluss der Höheren Töchterschule (heute Gymnasium Kleine Burg) 1877 die Pflege und Haushaltsführung übernehmen. Sie hätte gerne Physik studiert, doch erst 1908 wurden Frauen in Deutschland zu einem Studium zugelassen. Ihr Bruder studierte Physik und war später Professor in Dresden. Durch ihn hatte sie Zugang zu Fachliteratur und bildete sich autodidaktisch fort.

Beim täglichen Abwasch beobachtete Agnes, dass sich die Wasseroberfläche durch das Eintauchen von Gegenständen veränderte. Ihr Forschungsdrang war geweckt. Sorgfältig und systematisch untersuchte sie neben der Hausarbeit die Grundlagen der Ober- und Grenzflächenspannung von Wasser. Aus ihrem Tagebuch: „1880 oder 81: Habe das anomale Verhalten der Wasseroberfläche entdeckt. 1882: Habe Schieberinne (Trog) erfunden. 1883: Habe große Schieberinne anfertigen lassen.“ Diese wird heute noch zur Untersuchung von Oberflächen von Flüssigkeiten benutzt.

1890 stieß sie auf einen Artikel über die Arbeiten von Lord Rayleigh, einem späteren Nobelpreisträger, über die Filmbildung von Olivenöl auf Wasser. Er kam zu den gleichen Ergebnissen wie sie. Sie fasste Mut und verfasste am 10. Januar 1891 einen Brief an den Lord. Auf mehreren Seiten beschrieb sie ihre Versuchsanordnungen, ihre Beobachtungen, Messergebnisse und Schlussfolgerungen ihrer mehrjährigen Arbeit zwischen Krankenpflege und Abwasch. Der Lord sorgte umgehend dafür, dass sie Wahrnehmung und Anerkennung bekam. Agnes war 29, als sie diesen Durchbruch erzielte.

Da sie bedeutende Forschungsergebnisse vorweisen konnte, wurde ihr 1893 die Nutzung des Physikalischen Instituts in Göttingen angeboten. Doch die Eltern erlaubten es ihr nicht. Agnes Pockels veröffentlichte eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen, und sie wurde zu Vorträgen eingeladen. Nun konnte sie – neben der Hausarbeit - an der TU Braunschweig forschen.

Am Vorabend ihres 70. Geburtstages erhielt sie als erste Frau die Ehrendoktorwürde Dr. Ing. h.c. der TU Braunschweig für ihre bahnbrechenden Forschungen zur Oberflächenchemie – eine außergewöhnliche Ehrung für eine Autodidaktin.

Die TU Braunschweig verleiht seit 1992 die Agnes-Pockels-Medaille, am dortigen Institut für Chemie gibt es für Schüler das Agnes-Pockels-Labor.