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Datum: 22.03.2023

Rede des Ortsrates

Am vergangengegen Volkstrauertag hielten Edward Krüger und Imke Lindenberg im Anschluss an den Gottesdienst gemeinsam die Rede des Ortsrates. Hier finden Sie die Rede zum Nachlesen

Mehrere Personen stehen neben der Kirche vor einem Gedenkstein. © Bernd Schober
Volkstrauertag in Leinde

Edward Krüger:

Ein Mann und eine Frau legen an einem Gedenkstein einen Kranz mit zwei breiten Bändern nieder. © Bernd Schober
Kranzniederlegung zum Volkstrauertag in Leinde

Liebe Leinderinnen und Leinder,

als wir letztes Jahr zum Volkstrauertag hier am selben Ort die Kränze niedergelegt haben, habe ich ein düsteres Bild von der aktuellen Lage unserer Gesellschaft und der Welt gezeichnet.

Leider muss ich feststellen, dass sich die Situation noch weiter verschlechtert hat. Der Angriff der russischen Armee auf die Ukraine ist für uns in Europa eine Zäsur, wie sie viele von uns noch nicht erlebt haben. Und Obwohl es zahlreiche Hinweise und Warnungen im Vorfeld des russischen Angriffs gab, waren wir überrascht, bestürzt und konnten nicht glauben, was da in unserer Nachbarschaft passierte.

Gleichzeitig rollte eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft los: Spendensammlungen, Hilfskonvois, Unterkünfte für Geflüchtete. Als Europäerinnen und Europäer fühlen wir uns mit den Menschen aus der Ukraine besonders verbunden und die Auswirkungen des Krieges sind bei uns direkt spürbar. Sie führen uns wieder einmal vor Augen, wie eng verflochten wir wirtschaftlich und politisch mit der Welt sind. Getreide, Düngemittel, Energie und vieles mehr: die Verknappung, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, können wir jeden Tag spüren.

Zusätzlich schürt der Konflikt Angst vor Bedrohungen, die viele von uns schon ad acta gelegt hatten: Einsatz atomarer Waffen, Super GAU, 3. Weltkrieg. Das alles hätten wir gerne in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zurückgelassen. Jetzt sind wir gezwungen, uns damit auseinanderzusetzen.

Ich habe mich auch manches Mal gefragt, was ich tun soll, wenn es ernst wird: bleiben oder gehen? Was wird aus meiner Familie, meinen Freunden? Was wird aus dem Leben, das ich mir aufgebaut habe? Ich hoffe wirklich sehr, dass diese Fragen Gedankenspiele bleiben und wir allesamt niemals gezwungen sein werden, solche Entscheidungen zu treffen.

Imke Lindenberg:

Aber die Situation birgt auch eine Chance. Sie macht es uns leichter, uns in die Menschen hineinzuversetzen, die akut vor solchen Entscheidungen stehen oder solche treffen mussten:

  • Geflüchtete aus der Ukraine, Afghanistan oder Syrien.
  • Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine oder Russland.
  • Menschen, die in Belarus, Russland, Iran, Myanmar und vielen anderen Ländern der Welt unter Androhung von Tod, Folter und Gefängnis für ihre Rechte und für Frieden eintreten.
  • Menschen, die aus ihrer Heimat aufbrechen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die in einem Schlauchboot versuchen, über das Mittelmeer dem Elend zu entkommen.

Wie würden wir in ihrer Situation handeln? Würden wir nicht auch alles tun, um unser Leben zu schützen? Um das Leben unserer Familie zu schützen?

Aber auch mitten unter uns gibt es Menschen, die sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen. Denn auch das Problem ist größer geworden: zur letzten Landtagswahl haben 16,5 % der Wählerinnen und Wähler in Leinde eine offen faschistische Partei gewählt. Ich kann das einfach nicht verstehen: Eine Partei, die die Terrorherrschaft des NS-Regimes als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet, die auf Flüchtende an den Grenzen schießen lassen will und die eine echte Gefahr für unser Miteinander darstellt.

Opferberatungsstellen warnen dieser Tage wieder vor einer Zuspitzung rassistischer und rechtsextremer Mobilisierung und Gewalt. Es werden Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete verübt und Menschen attackiert. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur wurde Anfang Oktober die Synagoge in Hannover angegriffen.

Ich sehe es als unser aller Pflicht, das nicht hinzunehmen! Sondern gegen rechte Parolen und die Verharmlosung menschenverachtender Positionen den Mund aufzumachen und uns auf demokratischem Wege dagegen zu wehren.
Dass der Weg an die Macht für faschistische Parteien möglich ist, zeigen unsere europäischen Nachbarstaaten und es sollte uns eine weitere Mahnung sein, endlich ins Handeln zu kommen!

Ich finde es ist an der Zeit, den Volkstrauertag zu einem Aktionstag des Friedens zu machen.

Nicht zu übersehen und zu überhören, was auch in unserer Mitte geäußert und getan wird.

Nicht zu beschönigen, zu was für Gräueltaten Menschen in Ausnahmesituationen fähig sind, getötete Menschen nicht zu heroisieren oder den Krieg zu glorifizieren, sondern alles daran zu setzen, Krieg und Gewalt zu verhindern.

Wir schließen mit einem Zitat von unserem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck:

„Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.“

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Kontakt

Ortsrat Leinde